Der Gläub’ger Schar mich ewig jaget. Sag an, wie kann ich ihr entgehn? Die Wirthe, Ladenschwengel, Schuster und der Schneider / Belagern stets mein Haus; Barbir, Friseure und so weiter, Nein, länger halt ich’s nicht mehr aus.
Carl Friedrich Lange, Schullehrersohn aus Buchheim in Sachsen, am 21. Mai 1835 als Student der Rechte immatrikuliert, verbüßte wegen Duellvergehens eine Karzerstrafe, Geldsorgen taten ihr übriges. Er dichtete im „Brummkäfer“.
Vielfältig sind die Leipziger Karzerstrafen. Im Universitätskarzer sassen Studenten u.a. wegen nächtlichen Watens im Schwanenteich, Trunkenheit, Ehrenwortbruch, Beleidigung des Nachtwächters, Teilnahme an einem Duell, Zuschauen bei einer Mensur, Ruhestörung oder Mädchen auf dem Zimmer ein. Karzerhaft war keine Kerkerhaft oder Einzelhaft, zu Vorlesungen und Spaziergängen konnte der Raum verlassen werden.
Die Karzerräume der Leipziger Universität befanden sich im dritten Stock des alten Senatsgebäudes, das 1893 den Umbauplänen Arved Rossbachs für ein neues Universitätshauptgebäude weichen musste.
Das „Carcer-Buch„, eine wichtige Quelle zum Karzerwesen, befindet sich im Universitätsarchiv Leipzig. In sieben Spalten ist „Anfang/Ende“ sowie „Dauer/Grad“ der angetretenen Haftstrafe abzulesen, außerdem Namen, Studium und Geburtsort. Zu den Disziplinarvergehen gehörten alle Fälle unerlaubter Selbsthilfe, „wörtliche und tätliche Injurien untereinander und gegen Studirende“. Geringere Vergehen wurden nach Landesgesetz oder Herkommen mit nicht über zehn Talern Strafe (etwa vier Wochenlöhne eines ungelernten Arbeiters) oder vier Wochen Gefängnis geahndet – für chronisch klamme Studenten viel Geld.
Die Karzerstrafe ging in der Regel über vier Wochen nicht hinaus, es gab Vergehen ersten und zweiten Grades. Mancher Student trat sie stolz und erhobenen Hauptes an. Auf Wunsch erledigte der gefürchtete Gerichtsdiener Einkäufe, einen gewissen Luxus konnte sich der gefangene Student – trotz Verbot des Senates – beschaffen.
Interessant sind die studentischen Briefe an den Gerichtsdiener, in denen beispielsweise der Strafantritt ausgehandelt wurde. Länger als acht Tage saß man mit einer Karzerstrafe zweiten Grades ein. Gegen Ehrenwort durften Vorlesungen besucht werden. Mißbrauch wurde streng mit 14 Tagen Karzerhaft bestraft. Kam es zu völliger Wortbrüchigkeit, wurde „Wegweisung nicht unter einem Jahr“, das consilium abeundi, verhängt. Exmatrikulation als Strafe hatte den Verlust aller studentischen Rechte zur Folge, die Bekanntmachung erfolgte auf Latein und Deutsch. Prominenter Vertreter dieser Strafe ist Theodor Körner.
Viel erzählt der heute leider nicht mehr vorhandene Universitätskarzer über das studentische Leben jener Zeit. Karzerhaft war keine Kerkerhaft oder Einzelhaft, zu Vorlesungen und Spaziergängen konnte der Raum verlassen werden. Die Zeit im kargen Raum mit vergitterten Fenstern namens Karzer versuchten die Studenten natürlich so kreativ wie möglich zu verbringen: sie ritzten allerlei in Karzertische ein und schrieben eine 200-seitige Kladde mit dem Titel „Brummkäfer oder die Musen in carcere blae“ voll. Gedichte für die Geliebte, spöttische Gesänge, aber auch Loblieder auf die Universität finden sich. Und in mehreren Fortsetzungsfolgen geschriebene Theaterstückpersiflagen laden zum Weiterschreiben ein. Carl Friedrich Lange, Schullehrersohn aus Buchheim in Sachsen, am 21. Mai 1835 als Student der Rechte immatrikuliert, verbüßte wegen Duellvergehens eine Karzerstrafe, Geldsorgen taten ihr übriges, was er im „Brummkäfer“ poetisch festhielt.
An der Universität Leipzig wurde zuletzt 1934 der Jurastudent Walter Habel aus Zittau zu Karzerhaft verurteilt – er brauchte sie aber schon nicht mehr anzutreten.