Der Knotenpunkt am damaligen Friedrich-Engels-Platz (heute Goerdelerring) war und ist einer der verkehrsreichsten Orte in Leipzig. Da auch in der DDR in den 1970er Jahren die individuelle Motorisierung sprunghaft zugenommen hatte, suchte man nach einer Lösung für die gefahrlose Querung des Leipziger Rings durch Fußgänger und Radfahrer. Man entschied sich für eine Stahlkonstruktion, die mit Treppen und Rampen diesen Platz überspannen sollte.
In einem ersten Bauabschnitt entstand von Juni bis August 1973 die Nord-Süd Achse über den Tröndlinring, der vom „VEB Deutsche Reichsbahn, Stahlbau Dessau“, erbaut wurde. Es sollte noch vier Jahre dauern, bis Ende 1977 auch eine Verbindung in Richtung der damaligen Friedrich-Ludwig-Jahn-Allee (heute Ranstädter Steinweg) entstand. Ein Luftbild von 1990 lässt erkennen, dass das Bauwerk nicht vollendet wurde, fehlt doch noch ein Arm über die damalige Dr.-Kurt-Fischer-Straße (heute Pfaffendorfer Straße) und auch über die Friedrich-Ludwig-Jahn-Allee (heute Ranstädter Steinweg).
Auch hier war Armin Kühne (gelernter Stahlbauschlosser!) vor Ort und hat die Montage der weitgehend vorgefertigten Teile dokumentiert. Im Hintergrund ist das ehemalige „Konsument-Warenhaus“ erkennbar, dass 1968 eröffnet wurde. Hier konnte die baugeschichtlich wichtige Fassade mit den hyperbolischen Elementen aus Aluminium nach einem Entwurf von Harry Müller in den Neubau der „Höfe am Brühl“ übernommen werden.
Ebenfalls auf dem Foto erkennbar ist ein „Strauß“ der typischen Straßenleuchten aus dem VEB Leuchtenbau Leipzig in der charakteristischen Tropfenform. Die aus Kunststoff hergestellte Lampe wurde bereits 1960 entwickelt und ist ein hervorragendes Beispiel für industrielle Formgestaltung in der DDR. Das Wort „Design“ war damals noch nicht geläufig…
„Die Brücke war zunächst hellblau angestrichen – ähnlich der gleichnamigen Elbbrücke in Dresden – und erhielt daher im Volksmund ihren Namen. Ab 1991 hatte sie einen grauen Anstrich, der eingebürgerte Beiname wurde jedoch beibehalten. Am 11. Juli 2004 wurde sie abgerissen.
Am 20. Januar 2021 diskutierte der Leipziger Stadtrat über eine Petition, die den Wiederaufbau der Brücke forderte und lehnte den Vorschlag unter anderem mit Hinweis auf die hohen Baukosten ab.“1
Ins Rampenlicht der Geschichte gelangte die Brücke im Herbst 1989, diente sie doch zahlreichen Fotografen als hervorragender Standort für Aufnahmen der Demonstrationszüge aus der Zeit der Friedlichen Revolution. Dabei bot das Geländer eine sichere Auflage für die Kamera und ersetzt ein auffälliges Stativ.
Obwohl es Proteste gegen den Abriss gab, hielt sich der Schmerz über den Verlust bei den Leipzigern in Grenzen, denn die relativ steilen Rampen waren für Radfahrer und Radfahrerinnen sowie für mobilitätseingeschränkte Personen doch eher ein Hindernis als eine Hilfe. Rampen zu den Straßenbahnhaltestellen fehlten! Auch im Winter war die Stahlkonstruktion gefährlich, da Schnee und Eis auf den Treppenstufen nicht immer sofort beseitigt werden konnten.
Heute sorgen breite ampelgeregelte Fußgängerüberwege für eine sichere Überquerung des Rings in alle Richtungen.
Christoph Kaufmann
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Blaues_Wunder_(Leipzig)