Skip to content

Nathan Söderblom || Friedensnobelpreisträger 1930



Nathan Söderblom | Begründer des Institutes für Religionswissenschaften

face_nathan_soederbloem

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von Klaus Fitschen.[wc_spacing size=“40px“]1930 erhielt Nathan Söderblom den Friedensnobelpreis.

Nathan Söderblom (1866-1931) ist in der Erinnerung des Instituts für Religionswissenschaft gegenwärtig, dessen Begründer er durch seine Tätigkeit in Leipzig in den Jahren 1912 bis 1914 war und das seine erste Heimat an der Theologischen Fakultät hatte. Im Jahre 1930 erhielt Söderblom den Friedensnobelpreis für sein ökumenisches Engagement für Frieden und Versöhnung. Nathan Söderblom war der Sohn eines schwedischen Landpfarrers und entschloss sich selbst zum Theologiestudium. In einer Zeit, in der die deutsche akademische Theologie weit über Deutschland hinaus ausstrahlte, lernte er schon als Student in Uppsala jene Strömungen kennen, die innerhalb von Kirche, Theologie und protestantischen Milieus überaus strittig waren: Ihr Ziel war es zum einen, auf philologischer und historischer Grundlage die biblischen und in der Kirche verankerten theologischen Traditionen des Christentums kritisch zu überprüfen, und zum anderen, eine neue Synthese des Christentums mit der Gegenwartskultur zu ermöglichen. Beide Strömungen machten, dem Trend des 19. Jahrhunderts entsprechend, die Geschichte zum Erkenntnisgrund der Gegenwart, und dies wurde auch auf die Religion, namentlich das Christentum, in problematischer Weise aber auch auf das Judentum und dann auch auf andere Religionen, angewendet.

Söderblom war seit seiner Studienzeit ein Anhänger der noch jungen ökumenischen Bewegung: Die protestantischen Kirchen waren durch die enge Verbindung von Staat und Kirche in Europa national orientiert. Nicht sie, sondern einzelne Protestanten begannen transnationale und nicht zuletzt transatlantische Netzwerke aufzubauen, unter denen das bekannteste der „Christliche Verein Junger Männer“ wurde, in dessen schwedischem Zweig Söderblom eine führende Stellung einnahm. Seine ersten Auslandserfahrungen machte er auf einer Reise in die Vereinigten Staaten, wo er 1890 an einer christlichen Studentenkonferenz teilnahm. Von 1894 bis 1901 war er schwedischer Auslandspfarrer in Paris und wurde hier mit den sozialen Nöten einer Großstadt bekannt. Nebenbei studierte er an der Protestantischen Fakultät in Paris, an der er mit einer Arbeit zur persischen Religionsgeschichte promoviert wurde. Anders als das staatskirchliche Luthertum in Schweden musste der französische Minderheitenprotestantismus gegen eine kulturelle und lange auch politische Dominanz des Katholizismus ankämpfen. An der Pariser Fakultät war darum ein „liberaler“, moderner Geist zuhause, der Söderblom inspirierte. 1897 beteiligte er sich von Paris aus an der Organisation eines religionswissenschaftlichen Kongresses in Stockholm, der unter dem Thema „Die Religion und die soziale Entwicklung stand“. Die „Soziale Frage“ stand also mit auf der Tagesordnung. Mit solchen Aktivitäten und seiner in Paris erworbenen Qualifikation empfahl sich Söderblom für die Professur für Religionsgeschichte in Uppsala, die er von 1901 an innehatte. In seiner Antrittsvorlesung mit dem Titel „Die allgemeine Religionsgeschichte und die kirchliche Theologie“ entfaltete er sein Programm: Man kann als Theologe Religionsgeschichte treiben, ja man muss es sogar. Deutlich war hier die zeittypische Voraussetzung, dass es zwar verschiedene Religionen gebe, das Christentum (eigentlich aber der Protestantismus) das Ziel aller religionsgeschichtlichen Entwicklung und in Jesus Christus die höchste Form der Offenbarung zu finden sei. In dieser Zeit war der Optimismus typisch, der sich 1910 auf einer großen Weltmissionskonferenz in Edinburgh gezeigt hatte, nämlich dass die Welt in einer Generation christlich (und am liebsten protestantisch) werden würde. Am Ende seines Lebens sagte Söderblom „Ich weiß, dass Gott lebt. Ich kann es beweisen durch die Religionsgeschichte“, und so gab er auch einer Vorlesungsreihe, die er kurz vor seinem Tod in Edinburgh gehalten hatte, den Titel „Der lebendige Gott“. In Deutschland war umstritten, ob das Fach Religionswissenschaft, die zu dieser Zeit primär Religionsgeschichte war, an die Theologische Fakultät gehöre: Was Söderblom schon im Studium kennengelernt hatte, wurde von vielen abgelehnt, die die Gefahr einer Relativierung des Christentums, ja seiner Einschmelzung in die Religionsgeschichte sahen. In Leipzig interessierte sich die Philosophische Fakultät, in der das Fach traditionell zu Hause war, sehr für den vom Rektor, dem Kulturgeschichtler Karl Lamprecht, geförderten Plan der Gründung eines Religionswissenschaftlichen Instituts. Dieses wurde dann aber in der Theologischen Fakultät angesiedelt, weil es sich ohnehin vorwiegend mit den „höheren“ Religionen befassen sollte. Für Leipzig „entdeckt“ wurde Söderblom durch den Kirchenhistoriker Albert Hauck, der selbst ein Mann mit einem weiten historischen Horizont war und Söderblom in Schweden kennengelernt hatte. Allerdings kam Söderblom vor allem zugute, dass er als Lutheraner in das Profil der Leipziger Fakultät passte. Söderblom, der eigentlich nach Berlin berufen werden sollte und dies ablehnte, ging also 1912 nach Leipzig, aber nur unter der Bedingung, dass er seine Lehrveranstaltungen in Uppsala weiter halten konnte. So lehrte und lebte er (nämlich in der Stallbaumstraße) in den Jahren 1912 bis 1914 in Leipzig, immer vom 15. Mai bis zum 1. September und vom 15. Dezember bis zum 15. Januar. Dramatisch waren seine letzten Wochen in Leipzig: Gerade zum Erzbischof von Uppsala berufen, musste er in den ersten Kriegstagen mit seiner Frau Anna – sie war eine der ersten Studentinnen an der Universität Uppsala gewesen – und seinen 11 Kindern ausreisen. Trotz der Kürze waren die Leipziger Jahre für Söderblom kein bloßes Intermezzo und seine Tätigkeit nicht fruchtlos für die Etablierung des Faches Religionsgeschichte, das nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Theologischen Fakultät auswanderte. Söderblom las über Themen wie „Heiligkeit“, „Vergleichende Eschatologie“, „Gottesgemeinschaft“. Er verfasste in Leipzig die Bücher „Über die Entstehung des Gottesglaubens“ und „Natürliche Religion und Allgemeine Religionsgeschichte“. Aus seiner Leipziger Zeit blieben Kontakte nach Sachsen erhalten, die in den 20er Jahren noch einmal wichtig wurden: Söderblom war gut bekannt mit Ludwig Ihmels (1858-1933), der 1922 von seiner Leipziger Professur aus sächsischer Landesbischof wurde, aber auch mit Walter Simons (1861-1937), dem Präsidenten des Reichsgerichts, der der Kirche und der Sache der Ökumene eng verbunden war. Söderblom war für das Bistum Uppsala und somit den Sitz des schwedischen Primas nicht der erste Kandidat. Vielen galt er als zu liberal und zu wissenschaftlich für dieses höchste kirchliche Amt. Allerdings war er der Wunschkandidat der Regierung. In den folgenden Jahren bis zu seinem Tod wuchs seine Prominenz und Popularität nicht nur in kirchlichen Kreisen und weit über Schweden hinaus. Dabei waren seine ersten Jahre als Bischof von Misserfolgen überschattet: Von seinem neutralen Heimatland aus versuchte Söderblom, Vertreter aus den evangelischen Kirchen der miteinander im Krieg stehenden Staaten an einen Tisch zu bringen. Seine Aufrufe fruchteten ebensowenig wie die von Papst Benedikt XV (1854-1922). Als der Krieg zuende war, blieb der Hass. Für die Führungsschicht des deutschen Protestantismus waren die Niederlage und der Versailler Vertrag mit seinen Gebietsverlusten und seiner Zuschreibung der Kriegsschuld eine narzisstische Kränkung. Versöhnung war die Sache allzu weniger, wenn es auch manche – nicht zuletzt Amerikaner – gab, die meinten, dem politischen Projekt eines Völkerbundes müsse ein geistliches, nämlich das der christlichen Ökumene, an die Seite gestellt werden. Söderblom gehörte zu den führenden Vertretern solcher Ideen: Für ihn brauchte der Völkerbund eine Seele, und diese konnte nur eine christliche sein. Ein ökumenisches Treffen nach dem Krieg in Genf scheiterte 1920 fast an der Konfrontation von Vertretern des deutschen und des französischen Protestantismus. Zudem war unklar, was der theologische Inhalt ökumenischer Versammlungen sein sollte. Söderblom stellte die „Soziale Frage“ in den Mittelpunkt und beförderte damit den Zweig der Ökumene, der sich „Life and Work“ („Praktisches Christentum“) nannte und der jenseits von theologischen Kernfragen alle Kirchen anging. Unterdessen hatte er Hilfsaktionen organisiert, die auch den Deutschen zugute kamen: So wurde mit schwedischer Hilfe auf dem Hainstein bei Eisenach ein Gebäudekomplex angekauft, in dem eine Weiterbildungsanstalt für Jugendliche eingerichtet wurde. Zum Dank wurde Söderblom hier 1933 ein Denkmal errichtet. Nach längeren Mühen gelang es Söderblom, 1925 eine große ökumenische Versammlung zu organisieren – 1.600 Jahre nach dem ersten ökumenischen Konzil, wie man vermerkte – und rund 600 Kirchenvertreter aus 37 Ländern nach Stockholm einzuladen. Darunter waren auch Vertreter der Orthodoxen, nicht aber der Katholischen Kirche. Die wirtschaftlichen und sozialen Nöte der Nachkriegszeit standen hier auf der Tagesordnung, aber eben auch die internationalen Beziehungen. Sein ökumenisches Engagement für die Versöhnung trug Nathan Söderblom 1930 den Friedensnobelpreis ein. Söderblom war der einzige Preisträger, der den Stifter persönlich   kennengelernt hatte: In Paris war Nobel Glied seiner Gemeinde und unterstützte diese finanziell. Als er 1896 in San Remo starb, organisierte Söderblom seine Beerdigung.

Klaus Fitschen

 

Literatur:
Rudolph, Kurt: Die Religionsgeschichte an der Leipziger Universität und die Entwicklung der Religionswissenschaft. Berlin 1962.

Sharpe, Eric J.: Nathan Söderblom and the Study of Religion. Chapel Hill 1990.

Sundkler, Bengt: Nathan Söderblom. His Life and Work. Uppsala 1968.
[wc_spacing size=“40px“]

 

[wc_fa icon=“long-arrow-right“ margin_left=““ margin_right=““][/wc_fa][wc_fa icon=“long-arrow-right“ margin_left=““ margin_right=““][/wc_fa]Universitätsgeschichte |Literatur im Web: Jubiläen