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Max Bär | Karzerstrafe schadet nicht – auf dem Weg zum Archivdirektor

Karzerstrafe schadet nicht – auf dem Weg zum angesehenen Archivdirektor

Mit fast 20 Jahren hat sich Max Bär am 22.04.1875 an der Universität Leipzig für das Semester 1874/75 immatrikuliert. Die laufende Nummer ist die 0659 in der Registratur. Als Vaterland ist verzeichnet in den Immatrikulationsbüchern Preussen, Geburtsort Tzschacksdorf, Lebensalter 19 1/2, Religion ist evangelisch, als Stand der Eltern ist Pastor (verstorben) verzeichnet.
Im „Carcer-Buch“ der Universität Leipzig stehen folgende Strafen:
1875 vier Tage Karzer wegen Zuschauens auf Mensur und Teilnahme an einem Auflauf, 1877 zwei Tage Karzer wegen groben Unfugs, 1878 zehn Tage Karzer wegen Ruhestörung, Ungehorsam und wörtlicher Beleidigung, außerdem Mitglied der Burschenschaft Germania. Der Pfarrersohn Max Bär, dessen Vater verstarb als Max neun Jahre war, hat an der Universität Leipzig Geschichte, Philologie und historische Hilfswissenschaften studiert und  1880 an der Universität Jena promoviert.  Danach begann eine furiose Archivkarriere vom Hilfsarbeiter im Archiv bis zum Direktor.  Zuerst als preußischer Archivverwalter in Posen, Koblenz, Stettin, Hannover. 1887 wurde Max Bär vorerst kommissarischer dann Direktor des Staatsarchivs Osnabrück, dann folgte das Staatsarchiv Danzig. 1912 folgte die letzte Station als Direktor des Staatsarchivs Koblenz bis zum Eintritt in Ruhestand.

Bär’sche Prinzip

Wer Historische Hilfswissenschaften studiert hat, kennt Max Bär durch die Einführung des Bär’schen Prinzips, eine Archivgliederung.  Bär war Mitschreiber der Allgemeinen Deutschen Biographie. Am 16. Mai 1928 starb er nach einem erfüllten Leben im Dienste des Archivwesens in Koblenz.

Über den Archivdirektor Max Bär | Landeshauptarchiv Koblenz [wc_fa icon=“long-arrow-right“ margin_left=““ margin_right=““][/wc_fa][wc_fa icon=“long-arrow-right“ margin_left=““ margin_right=““][/wc_fa] Der 21. Oktober 1855. Max Bär, Bewahrer der Vergangenheit, Archivar für Koblenz.

Exkurs: Die Universitätsgerichtsbarkeit

Der Karzer und die Studenten

Für die Studenten an der Universität galten die Immatrikulationsordnungen als wichtigste Normative. Im Februar 1878 erließ die sächsische Regierung jedoch ein eigenes Gesetz über die bürgerlichen Verhältnisse der Hochschulangehörigen. Das Gesetz regelte vor allem die Rechtsstellung der Studierenden in der neuen deutschen Staatsverfassung – so erloschen mit seinem Inkrafttreten alle bisherigen Sonderrechte, die den Studenten Ausnahmen von den Straf- und Polizeigesetzen garantiert hatten. Die wegen Übertretungen – juristisch die geringste Form eines möglichen Straftatbestandes neben Vergehen und Verbrechen – disziplinarisch gemaßregelten Studenten hatten allerdings weiterhin, soweit sie nicht den Militärgesetzen unterlagen, ihre Strafen im akademischen Karzer abzubüßen.

Nach dem gleichen Rechtsgedanken wurden die studentischen Vereine sowie alle von ihnen ausgehenden akademischen Versammlungen der Aufsicht der Universitätsbehörden unterstellt.

Das Universitätsgericht hatte nur noch die Disziplinargerichtsbarkeit über die Studenten inne, konnte aber andernorts erfolgte Strafverfahren gegen Studierende aufgreifen und ein zusätzliches Disziplinarverfahren gegen den Betroffenen an der Universität Leipzig eröffnen. Zu diesem Zweck sollten die Urteile gegen Studenten aus Verfahren vor Militär- und Strafgerichten dem Universitätsgericht übermittelt werden.

Als Strafmaßnahmen standen der Universität neben dem Consilium abeundi die Exmatrikulation und die Relegation zu Gebote. Gegenüber säumigen Honorarschuldnern durfte die Universität nun als Unterpfand die Herausgabe des Abgangszeugnisses verweigern.

Der Karzer und »Carcer-Buch«

Die Karzerräume der Leipziger Universität befanden sich im dritten Stock des alten Senatsgebäudes, das 1893 den Umbauplänen Arved Rossbachs für ein neues Universitätshauptgebäude weichen musste.

Das »Carcer-Buch«, eine wichtige Quelle zum Karzerwesen,  befindet sich in unserer Einrichtung. In sieben Spalten ist »Anfang und Ende« sowie »Dauer und Grad« der angetretenen Haftstrafe abzulesen, außerdem  Namen, Studium und Geburtsort. Viel erfährt der Leser über das studentische Leben. Karzerhaft war keine Kerkerhaft oder Einzelhaft, zu Vorlesungen und Spaziergängen konnte der Raum verlassen werden.

»Brummkäfer oder die Musen in carcere blae«

Die Zeit im kargen Raum mit vergitterten Fenstern namens Karzer versuchten die Studenten natürlich so kreativ wie möglich zu verbringen: sie ritzten allerlei in Karzertische ein  und schrieben ein 200-seitiges Heftchen mit dem Titel »Brummkäfer oder die Musen in carcere blae« voll. Gedichte für die Geliebte, spöttische Gesänge, aber auch Loblieder auf die Universität finden sich. Und in mehreren Fortsetzungsfolgen geschriebene Theaterstückpersiflagen laden zum Weiterschreiben ein. Karzerhaft wurde abgeschafft. An der Universität Leipzig wurde zuletzt 1934 der Jurastudent Walter Habel aus Zittau zu Karzerhaft verurteilt – er brauchte sie aber schon nicht mehr anzutreten.