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Heinrich von Treitschke

Heinrich von Treitschke, Porträt, stehend (um die 35 Jahre alt), UAL FS N00395-06

Heinrich von Treitschke (15. September 1834 in Dresden – 28. April 1896 in Berlin) – „Männer machen die Geschichte.“ 

Als Student fast taub, litt er zeitlebens an dieser Schwerhörigkeit. Er war fast taub und verständigte sich mit seiner Frau mit Zeichensprache, mit Anderen über Zettel.

Der Berliner Antisemitismusstreit war eine öffentliche Debatte von 1879 bis 1881 im Kaiserreich über den Einfluss des Judentums, die sogenannte Judenfrage. Er wurde damals als Treitschkestreit oder Treitschkiade

Heinrich von Treitschke stammte aus einer sächsischen Beamten- und Offiziersfamilie und war evangelischer Konfession. Die Vorfahren  wanderten aus Böhmen wegen ihrer evangelischen Konfession im Dreißigjährigen Krieg nach der Schlacht am Weißen Berg nach Sachsen ein. Sein Vater war der sächsische Generalleutnant Eduard Heinrich von Treitschke, sein Onkel der Jurist Georg Carl Treitschke und sein Vetter der General Heinrich Leo von Treitschke. Er studierte 1851 bis 1853 Geschichte an der Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, wo er im Wintersemester 1851/52 der Burschenschaft Frankonia beitrat und wo er durch den Historiker Friedrich Christoph Dahlmann beeinflusst wurde, und danach auf Drängen seines Vaters vor allem Staats- und Kameralwissenschaften an der Universität Leipzig.

Schon als Student litt er an zunehmender Schwerhörigkeit, was auch den Besuch von Vorlesungen behinderte. Wegen der besseren Bibliothek ging er für seine Promotion in Nationalökonomie an die Eberhard Karls Universität Tübingen zu Wilhelm Roscher und vollendete seine Dissertation zum Dr. iur. (Titel: Quibusnam operis vera conficiantur bona, Über die Produktivität der Arbeit) während eines zweimonatigen Aufenthalts in Freiburg im Breisgau. Eingereicht wurde sie in Leipzig.

Danach ging er nach Heidelberg, wo er wegen eines Pistolenduells einige Zeit im Karzer saß und wandte sich dann nach Dresden und wegen der besseren Bibliothek nach Göttingen, wo er in eineinhalb Jahren seine Habilitation schrieb, die er 1858 in Leipzig bei Roscher einreichte („Die Gesellschaftswissenschaft. Ein kritischer Versuch“). Er schwankte in dieser Zeit Dichter oder Journalist zu werden, versuchte sich an Gedichten und einem Drama. Auf Einladung von Rudolf Haym wurde er 1858 Mitarbeiter der neu gegründeten Preußischen Jahrbücher und fand durch seinen Aufsatz Über die Grundlagen der englischen Freiheit, in dem er die Vorteile des politischen und Rechts-Systems in England gegenüber der staatlichen Willkür deutscher Verhältnisse pries, bei Liberalen Aufmerksamkeit. 1858 veröffentlichte er seine Streitschrift Die Gesellschaftswissenschaften, in der er diese von Robert Mohl und Wilhelm Heinrich Riehl vertretene Denkrichtung kritisierte (die Untersuchung der Gesellschaft konnte nach Treitschke nicht unabhängig von der des Staates erfolgen), und er veröffentlichte einen Essay über Heinrich von Kleist, in der noch seine zuvor aufgegebenen literarischen Neigungen nachwirkten und denen später weitere Essays und Skizzen von Literaten folgten. 1859 wurde er Privatdozent in Leipzig und lehrte dort außerdem ab 1862 Nationalökonomie an der Landwirtschaftlichen Akademie in Plagwitz, wandte sich aber zunehmend von der Nationalökonomie ab. Seine Vorlesungen in Leipzig zum Beispiel über preußische Geschichte (was an einer sächsischen Universität ungewöhnlich war), europäische und deutsche Geschichte fanden schon 1861 über 200 Hörer.

Exkurs: Dichter oder Journalist?

Gustav Freytag schreibt, dass sich Heinrich von Treitschke als Dichter aufgegeben habe. Nachstehend nun ein Werk des Dichters:

Ein Sang des Friedens

An W. N…

Schon schläft die Flur im Winterkleide,
Geschied’ner Lust ein traurig Grab.
Der Nordwind klaget durch die Haide
Und fegt die letzten Blätter ab.
Da führt mich träumendes Verlangen
In euer sonnig Land zurück,
Zu eurer Felder reichem Prangen,
Zu eurer Reben goldnem Glück.
Die blauen Berge schau‘ ich wieder.
Ich zieh‘ im schwarzen Forst mit dir…

Vergeblich Träumen!… Meine Lieder
Aus weiter Ferne send‘ ich dir.
Sie künden keine heitern Sagen
Nach eures Gaues frohem Ton,
Es rauscht ihr Reim von wilden Klagen,
Sie singen Zorn und Haß und Hohn.

Den Hammer braucht’s das Erz zu löthen,
Es braucht der Flamme heiße Gluth:
In Zorn und Streit, in Schmerz und Nöthen
Erstarkt der freie Mannesmuth.
Kampf! ist der Tage Losungszeichen,
Kampf! kündet der Geschichte Mund,
Die fühllos über Völkerleichen
Den Wagen lenkt durch’s Erdenrund.

Ruhlos und friedlos ist das Leben.
Und scheint die Zeit dir fromm und rein,
Des Friedens Freuden hingegeben —
Es ist ein Trug, es ist ein Schein.
Rauchwolken jagt sie aus den Schloten,
Sie dämmt des Meeres Wogenschaum,
Mit Eisenschienen, Dampferbooten
Höhnt sie den Bändiger, den Raum.
O Ruhm: die Macht der Elemente,
Die unsrer Väter Muth gelähmt
Mit frommer Scheu, durch Zwergenbünde
Mit des Gedankens Kraft bezähmt!

Doch giebt es höh’re Siegespreise,
Noch ruft ein schöner Kampfgefild,
Als wo von Schwielen und von Schweiße
Die harte Faust des Fröhners schwillt:
Um unsres Landes Macht und Ehre
Der alte Strauß in junger Zeit! Ach!
Andre Opfer nimmt der schwere:
Nicht Leiber — Herzen bricht der Streit.

Ja, Herzen brachen. — Matt vom Kriege
Träumt Mancher falschen Freudentraum
Und höhnt, verzweifelnd an dem Siege,
Den Thorenkampf um Dunst und Schaum.

Da flüchtet‘ ich mit meiner Klage
In unsrer Väter rauhe Zeit,
Im Kriegsgetöse wilder Tage
Zu übertäuben all mein Leid.
Doch wie vom Staube ihrer Leichen
Aus ihrer Gräber Moderduft
Aufsprießt, ein lieblich Todtenzeichen,
Die Blume in die goldne Luft:
So sog ich Stolz aus ihren Thaten,
So sog ich Kraft aus ihrem Blut.
All diese Bürger kühnberathen,
All diese Bauern hochgemuth —
Wie anders war ihr rauhes Schlagen
Als unsrer Sitte glatte Weis‘!
Und doch! Uns winkt in späten Tagen
Im gleichen Kampf der gleiche Preis!

Vor ihrem Bilde sollt ihr weilen,
Wenn ihr im Unmuth grollend fragt:
Wann wird die alte Wunde heilen,
Wann ist die Klage ausgeklagt? — —

… Wenn in der Alp der Frühlingsbote,
Der Föhnwind, durch die Schluchten dringt,
Wenn neues Leben für die todte
Umeiste Welt sein Wehen bringt:
Da geht ein Rauschen durch die Bäume,
Der Berge Beste waukt und bebt,
Als regten sich die Frühlingsträume,
Die ihr erstarrtes Herz umschwebt:
Matt schimmernd geht die Sonne nieder,
Und Thier‘ und Menschen feiern bang,
Sie strecken ihre schlaffen Glieder:
Im Walde schweigt der Vögel Sang –
Bis endlich dann die heißen Lüfte
Mit Donnerbrausen werden wach,
Und Lenzeslust und süße Düfte,
Ersehnte Heerschaar, ziehen nach.

Wer mag den wilden Gast verklagen,
Weil Alles zittert, wo er haust?
Wir grüßen ihn mit seinen Plagen:
Erlösung bringt die rauhe Faust! —
Wie sich des Winters Weh nicht wendet,
Wenn nicht die Windsbraut tobt und schnaubt:
(Die Göttin nur entstieg vollendet
Und schmerzlos dem Erzeugerhaupt):
So wird den Völkern Macht und Größe
Nicht wie ein leichtes Zauberspiel.
Die nicht geseufzt in Noth und Blöße,
Erreichten nie das hohe Ziel!

Wohl sind wir hundertmal geschlagen,
Wohl mißten wir manch goldnen Preis,
Wohl stehn wir, wenn die Völker tagen,
Die Traurigsten im höhen Kreis.
Kein Volk hat solche Schmach empfunden,
Das nicht im jähen Tod zerbrach:
Wir rangen uns aus Todeswunden
Zu ewig neuem Ringen wach!
Und hoffend singen Bauernlieder
Und hoffend sagt der Weisen Spruch:
„Einst kehrt die alte Größe wieder,
Erlöset von dem Kaiserfluch!“ —

Kein Feind, kein Brandmal könnt‘ uns rauben
Die feste Glaubenszuversicht:
Noch log dem treuen Völkerglauben
Der treue Gott des Himmels nicht!

Sie kommen noch, die goldnen Tage,
Die wir in Zorn und Gram ersehnt,
Wo nur wie eine finstre Sage
Die Mär‘ der deutschen Schande tönt.
Und ärnten auch erst ferne Zeiten
Das Glück von uns gesäet schon:
Die wir im rechten Kampfe streiten,
Wir fragen nicht nach unserm Lohn.
Wohl herrlich ist’s, am warmen Frieden
Sich weiden, an des Sieges Lust: —
Dem Kämpfer auch ist Heil beschieden,
Der Frieden in der braven Brust.

Heinrich von Treitschke