An der Universität Leipzig wurde der Ausbruch des 1. Weltkrieges als ein erwartetes, notwendiges Ereignis gefeiert. Er wurde von den meisten Hochschullehrern und Studierenden euphorisch begrüßt als eine erforderliche Reaktion auf die gegen Deutschland gerichtete Einkreisung durch die Ententemächte. Am 27. Juli 1914 fand eine Großkundgebung der Universität zur Unterstützung des bevorstehenden Kriegsausbruches in Verbindung mit der Verabschiedung der einberufenen österreichischen Kommilitonen statt.
Die Studenten wurden zur freiwilligen Meldung für den Kriegsdienst in der Studentenzeitschrift aufgerufen. Ein Appell des Rektors Otto Meyer forderte zur Mitwirkung im Sanitätsdienst und in der Landwirtschaft auf. Auch der moralische Druck von außen war groß, so dass sich in einer Welle der Begeisterung viele Studenten am Krieg beteiligten. Im WS 1914/15 waren 59%, im SS 1915 bereits 70% der eingeschriebenen männlichen Studierenden im Kriegs- bzw. Ersatzdienst tätig. Dieser Anteil steigerte sich in den späteren Kriegsjahren auf 85%
Damit lag die Universität Leipzig über dem Durchschnitt aller deutschen Hochschulen. Ein Zahlenbeispiel soll die Situation verdeutlichen: Von den im WS 1916/17 eingeschriebenen 4.577 Studierenden leisteten 3.492 ihren Heeresdienst ab und hielten sich nicht in Leipzig auf.
Der Lehrkörper der Universität unterstützte vor allem „geistig“ die Kriegsführung des Deutschen Reiches. Einen „Aufruf an die Kulturwelt“, der die Kriegsziele akademisch verklärte und z.B. die bereits begangenen Greueltaten in Belgien negierte, trägt auch die Unterschriften der bekannten Leipziger Professoren Karl Lamprecht (übte später Selbstkritik), Wilhelm Wundt und Wilhelm Ostwald.
Eine „Erklärung der Hochschullehrer des deutschen Reiches“, die die Kriegsführung in Übereinklang mit dem deutschen Kulturverständnis sah, wurde von 165 der 244 3 an der hiesigen Universität beschäftigten Professoren unterschrieben. Auch eine „Kundgebung der deutschen Universitäten an die Universitäten des Auslandes“ wurde nach längerer Diskussion mit abmildernder Überarbeitung des Textes unterstützt. In Vortragsreihen an der Universität (auch in anderen Städten) sowie an der Front wurden die Durchhaltepolitik und die Parole eines „Siegfriedens“ propagiert, wenn auch in Einzelfällen versucht wurde, ausgleichend zu wirken, wie z.B. der Historiker Walter Goetz mit seinen Bemühungen um einen „Verständigungsfrieden“.
Ein unmittelbarer Fronteinsatz der Professoren war altersbedingt meist nicht möglich. Freiwillige wurden u.a. als Beamte in der Verwaltung besetzter Gebiete eingesetzt. Im Winter 1914/15 leisteten z.B. 55 von 244 Universitätslehrern aus Leipzig Kriegsdienst in verschiedenen Bereichen, wovon vor allem die Medizinische und die Philosophische Fakultät betroffen waren. Die Lehre an der Universität wurde trotz der vielen Probleme während der gesamten Krieges nicht unterbrochen. Zwangsläufig änderte sich die Zusammensetzung der Studenten. So stieg der Anteil der Frauen (von 200 auf 292) und jüngerer Studierender. Die übrigen waren Kriegsversehrte, Dienstuntaugliche oder von der Front Beurlaubte. Ausländische Studenten, insbesondere solche aus „Feindesland“, wurden nach Entzug der akademischen Bürgerrechte durch die Uni auf der Basis eines Erlasses des Sächsischen Ministeriums exmatrikuliert, so dass der Anteil ausländischer Studenten von 12 % (1914) auf 3 % (1917) zurückging.
Im Baugeschehen sowie in der fachlichen Struktur der Universität gab es situationsbedingt nur wenige Entwicklungen in den Kriegsjahren. 1915/16 wurde noch die Taubstummenanstalt in der Thalstrasse umgebaut. In sie zogen dann das Mineralogisch-petrographische Institut, das Institut für Geschichte der Medizin und das Geophysikalische Institut ein. Im Sommersemester 1916 eröffnete das Ägyptische Museum in der Schillerstrasse seine Ausstellungsräume. Karl Bücher gründete 1916 das Institut für Zeitungskunde. Angepasst an die Interessen des Reiches wurde 1917 ein Südost-Europa-Institut eingerichtet.
Die mit Mitteln der „König-Friedrich-August-Stiftung“ noch kurz vor dem Krieg entstandenen Forschungsinstitute konnten ihre volle Wirksamkeit infolge Personal- und Geldmangel nicht mehr entfalten. Durch den Krieg wurden zwar keine Gebäude und Einrichtungen der Universität zerstört, jedoch war durch die kriegsbedingten Einschränkungen und die internationale Isolation die wissenschaftliche Entwicklung für längere Zeit unterbrochen. Um so gravierender waren die Auswirkungen des Krieges auf die Angehörigen der Universität. Wie alle Teile der Bevölkerung hatten auch die Professoren und Studenten unter dem Mangel an Wohnungen, Heizungs- und Stromversorgung sowie dem Verpflegungsnotstand (Steckrübenwinter 1916/17) zu leiden. Mit Hilfsmaßnahmen wie der Gründung der Ortsgruppe des Akademischen Hilfsbundes (AHB) im Januar 1916 zur Unterstützung kriegsgeschädigter Akademiker oder der Ausgabe von Mittags- und Abendmahlzeiten für Studenten nach festen Preisen (im Burgkeller) wurde versucht, die Not zu lindern.
Trauriger Höhepunkt der Kriegsfolgen für die Universität Leipzig sind 1396 zu beklagende Tote, davon 1370 Studenten, 12 Dozenten und 14 Angestellte. Leipzig hatte von allen deutschen Universitäten die höchsten Kriegsverluste zu beklagen.
Gätke-Heckmann, U.: Die Universität Leipzig im Ersten Weltkrieg, in v.Hehl, U. (Hrsg.): Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, Leipzig 2005, S. 148 2 Krause, K.: Alma mater Lipsiensis Geschichte der Universität Leipzig von 1409 bis zur Gegenwart, Leipzig 2003, S. 239 3 Gätke-Heckmann, U.: Die Universität Leipzig im Ersten Weltkrieg, in v.Hehl, U. (Hrsg.): Sachsens Landesuniversität in Monarchie, Republik und Diktatur, Leipzig 2005, S. 153 4 Ebenda, S. 149 5 Ebenda, S. 149 6 Ebenda, S. 168