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1396 junge Studenten und Angehörige der Universität Leipzig starben auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges

Universität und Erster Weltkrieg

An der Universität Leipzig wurde der Ausbruch des 1. Weltkrieges als ein erwartetes, notwendiges Ereignis gefeiert. Er wurde von den meisten Hochschullehrern und Studierenden euphorisch begrüßt als eine erforderliche Reaktion auf die gegen Deutschland gerichtete Einkreisung durch die Ententemächte. Am 27. Juli 1914 fand eine Großkundgebung der Universität zur Unterstützung des bevorstehenden Kriegsausbruches in Verbindung mit der Verabschiedung der einberufenen österreichischen Kommilitonen statt.
Die Studenten wurden zur freiwilligen Meldung für den Kriegsdienst in der Studentenzeitschrift aufgerufen. Ein Appell des Rektors Otto Meyer forderte zur Mitwirkung im Sanitätsdienst und in der Landwirtschaft auf. Auch der moralische Druck von außen war groß, so dass sich in einer Welle der Begeisterung viele Studenten am Krieg beteiligten. Im WS 1914/15 waren 59%, im SS 1915 bereits 70% der eingeschriebenen männlichen Studierenden im Kriegs- bzw. Ersatzdienst tätig. Dieser Anteil steigerte sich in den späteren Kriegsjahren auf 85%.

Plakataufruf: An euch in der Heimat! An euch an der Front!

Zum Heeresdienst eingezogen: Die Universität Leipzig über dem Durchschnitt aller deutschen Hochschulen.

Damit lag die Universität Leipzig über dem Durchschnitt aller deutschen Hochschulen. Ein Zahlenbeispiel soll die Situation verdeutlichen: Von den im WS 1916/17 eingeschriebenen 4.577 Studierenden leisteten 3.492 ihren Heeresdienst ab und hielten sich nicht in Leipzig auf. Der Lehrkörper der Universität unterstützte vor allem „geistig“ die Kriegsführung des Deutschen Reiches. Einen „Aufruf an die Kulturwelt“, der die Kriegsziele akademisch verklärte und z.B. die bereits begangenen Greueltaten in Belgien negierte, trägt auch die Unterschriften der bekannten Leipziger Professoren Karl Lamprecht (übte später Selbstkritik), Wilhelm Wundt und Wilhelm Ostwald. Eine „Erklärung der Hochschullehrer des deutschen Reiches“, die die Kriegsführung in Übereinklang mit dem deutschen Kulturverständnis sah, wurde von 165 der 244 3 an der hiesigen Universität beschäftigten Professoren unterschrieben. Auch eine „Kundgebung der deutschen Universitäten an die Universitäten des Auslandes“ wurde nach längerer Diskussion mit abmildernder Überarbeitung des Textes unterstützt. In Vortragsreihen an der Universität (auch in anderen Städten) sowie an der Front wurden die Durchhaltepolitik und die Parole eines „Siegfriedens“ propagiert, wenn auch in Einzelfällen versucht wurde, ausgleichend zu wirken, wie z.B. der Historiker Walter Goetz mit seinen Bemühungen um einen „Verständigungsfrieden“.

Die Lehre an der Universität wurde trotz der vielen Probleme während der gesamten Krieges nicht unterbrochen.

Ein unmittelbarer Fronteinsatz der Professoren war altersbedingt meist nicht möglich. Freiwillige wurden u.a. als Beamte in der Verwaltung besetzter Gebiete eingesetzt. Im Winter 1914/15 leisteten z.B. 55 von 244 Universitätslehrern aus Leipzig Kriegsdienst in verschiedenen Bereichen, wovon vor allem die Medizinische und die Philosophische Fakultät betroffen waren. Die Lehre an der Universität wurde trotz der vielen Probleme während der gesamten Krieges nicht unterbrochen. Zwangsläufig änderte sich die Zusammensetzung der Studenten. So stieg der Anteil der Frauen (von 200 auf 292) und jüngerer Studierender. Die übrigen waren Kriegsversehrte, Dienstuntaugliche oder von der Front Beurlaubte. Ausländische Studenten, insbesondere solche aus „Feindesland“, wurden nach Entzug der akademischen Bürgerrechte durch die Uni auf der Basis eines Erlasses des Sächsischen Ministeriums exmatrikuliert, so dass der Anteil ausländischer Studenten von 12 % (1914) auf 3 % (1917) zurückging.
Trauriger Höhepunkt der Kriegsfolgen für die Universität Leipzig sind 1396 zu beklagende Tote, davon 1370 Studenten, 12 Dozenten und 14 Angestellte. Leipzig hatte von allen deutschen Universitäten die höchsten Kriegsverluste zu beklagen.
Allein 1396 junge Studenten und Angehörige der Universität Leipzig starben auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges. In der Hölle von Verdun (21. Februar 1916 – 19. Dezember 1916) mit weit über 300.000 tausend Toten ließen viele Leipziger Studenten ihr Leben. 44.304 deutsche Soldaten fielen bereits 1914 während der Flandernschlacht in Langemark, auch hier starben viele Studenten aus kriegsbegeisterten Studentenregimenten.
Die Eltern, Mütter oder Väter, der gefallenen Söhne, schickten einen Vermerk an die Universität mit Datum und Ort (wenn bekannt) – die Verwaltung versah die Karteikarte und das Ende der kurzen Universitätskarriere mit einem dicken schwarzen Kreuz und dem Vermerk „gefallen“. Oft baten Eltern, deren Söhne gefallen waren, um finanzielle Unterstützung seitens der Universität. Viele Studenten wurden vermisst – Briefwechsel dokumentieren die Anfragen seitens der Universität und der Mütter.

Ein Kreuz als Sinnbild für das Ende der studentischen Karriere

Stellvertretend für die 1396 Namen in der Kartei des Universitätsarchivs Leipzig steht hier die erste digitalisierte Karteikarte:
Wilhelm Abt, Student der Naturwissenschaften, wurde am 09.11.1893 in Hannover geboren. Er immatrikulierte sich  am 5. Mai 1913.  Am 16. März 1918 fiel er an der Front als Stosstruppführer bei Begonvaux, Verdun.

Wilhelm Abt, rer. nat., geboren am 09.11.1893 in Hannover, immatrikuliert am 5. Mai 1913, gefallen am 16. März 1918 als Stosstruppführer bei Begonvaux, Verdun.

Kriegsbeginn, Notprüfungen, Steckrübenwinter

1915: Die Stimmung kippt
Zu Kriegsbeginn zeigte sich die deutsche Bevölkerung euphorisch über den Krieg. Tausende Männer meldeten sich 1914 freiwillig zu den Waffen. Unter ihnen waren auch zahlreiche Angehörige der Universität Leipzig. Für viele Studenten gab es die Möglichkeit Notprüfungen abzulegen, bevor sie an die Front gingen. So sollte ihre akademische Karriere gesichert werden.
Als der schnelle Feldzug nicht wie angekündigt bis Weihnachten 1914 beendet war, begann die Stimmung zu kippen. Die Menschen mussten immer mehr Entbehrungen auf sich nehmen. Öffentliche Einrichtungen wie die Universität Leipzig mussten große Einsparungen vornehmen und zahlreiche Projekte kamen zum Erliegen. Es fehlte in den folgenden Jahren an fast allem. Es waren beispielsweise Nahrung, Kohlen und Petroleum knapp. Besonders die Lebens- und Heizmittelknappheit machte den Menschen schwer zu schaffen. Im Steckrübenwinter 1916/17 fanden diese Probleme ihren  traurigen Höhepunkt.
Für verwundete Kriegsteilnehmer, die an die Universität zurückkehrten, wurden spezielle Kurse eingerichtet. In Zwischensemestern und Ferienkursen konnten sie ihre Studien fortsetzen. Auch weitere Maßnahmen wie die Anrechnung von Kriegssemestern, Beurlaubungen und Gebührenerlasse sollte ihnen das Erlangen eines akademischen Grades erleichtern. Mit Hilfsmaßnahmen wie der Gründung der Ortsgruppe des Akademischen Hilfsbundes (AHB) im Januar 1916 zur Unterstützung kriegsgeschädigter Akademiker oder der Ausgabe von Mittags- und Abendmahlzeiten für Studenten nach festen Preisen (im Burgkeller) wurde versucht, die Not zu lindern.

Büchersammelstellen, Akademischer Hilfsbund

Während des Krieges wurden in Deutschland verschiedene Organisationen gegründet, die Kriegsteilnehmern und Kriegsgefangenen halfen. So wurden nützliche Dinge als sogenannte Liebesgaben verschickt. In Leipzig wurde eine „Sammelstelle von Büchern für Kriegsgefangene in Frankreich“ eingerichtet. Dort wurden Bücherwünsche, insbesondere von kriegsgefangenen Akademikern, entgegen genommen, wenn möglich beschafft und an sie verschickt. Dazu arbeitete die Büchersammelstelle mit Verlegern, Buchhändlern, anderen Organisationen und Hochschulen zusammen. Im Bestand des Rektorats sind im Universitätsarchiv Leipzig zahlreiche Wunschlisten, Korrespondenzen und Verzeichnisse zu dieser Arbeit vorhanden
Zur Hilfe von kriegsbeschädigten Akademikern wurde der „Akademische Hilfsbund“ gegründet. Auch in Leipzig gab es einen Ortsausschuss dieses Vereins. Die Rückkehrenden konnten unterschiedliche Unterstützungen vom Akademischen Hilfsbund in Anspruch nehmen. Es wurden Kuraufenthalte organisiert und finanzielle Unterstützungen geleistet. Der Hilfsbund unterhielt auch eine Stellenvermittlungs- und Berufsberatungsstelle. Verwundeten sollten so mögliche Berufsfelder aufgezeigt und bestenfalls geeignete Stellen vermittelt werden.

Kriegsversehrte im Reserve-Lazarett „Heimatdank“ in Zwickau

Kriegerdenkmal der Universität Leipzig im Augusteum

Im Jahre 1924 weihte Rektor Georg Steindorff mit folgenden Worten das Kriegerdenkmal der Universität Leipzig im Augusteum ein:
“Nun ist dieses Denkmal unser, und wir neigen uns in tiefer Trauer vor dem Geiste derer, deren Andenken es geweiht ist. Als Rektor gelobe ich, und ich lege dies feierliche Gelöbnis ab zugleich für alle diejenigen, die nach mir an unserer Universität dieses hohe Amt bekleiden werden, daß wir es immerdar schützen und einen werden. Ein Heiligtum soll es uns sein, eine Erinnerungsstätte, die bis in die fernsten Zeiten der Nachwelt Zeugnis ablege für den heldenmütigen Opfertod, den unsere Kollegen, unsere Kommilitonen, unsere Beamten für das Vaterland im Weltkriege erlitten haben. Wer durch die Pforten in diese Halle kommt, soll sich zu dieser heiligen Stätte wenden, von heißem Dank erfüllt für das, was diejenigen, deren Namen er verzeichnet findet, für das Vaterland und für uns alle hingegeben haben. Das Denkmal sei aber auch eine Mahnung an die Lebenden, es den Toten gleich zu tun. Kommilitonen, zeigen Sie alle, Mann für Mann, daß Sie wert sind der Opferweihe der Gefallenen. Mögen Sie allezeit bereit sein, das gleiche wie sie zu tun. Aber das Opfer, das Sie bringen sollen, möge — das wünschen wir alle — nicht das Leben sein! Dafür wird ein anderes, nicht minder großes von Ihnen verlangt: hingebende Arbeit und strengste Pflichter­füllung. Bringen Sie, unsere akademische Jugend, dieses Opfer, dann werden Sie unserem Volke Ihr Bestes geben, dann werden Sie erreichen helfen, was jene Helden nicht erreichen konnten: eine neue Blüte unseres Vater­landes zu schaffen. Gelingt Ihnen dies, dann ist auch das Opfer, das unsere Toten gebracht haben, nicht vergeblich gewesen.”

Kriegerdenkmal für 1370 Studenten, 12 Professoren und 14 Angestellte, die „für Deutschlands Bestand und Ehre im Weltkrieg starben“. Als Grabwächter lagerte der Löwe auf dem Sockel mit den Namen der Opfer.

Der Löwe war Teil eines Denkmals, das an die universitätsangehörigen Gefallenen des Ersten Weltkrieges erinnern sollte. Die Kalkstein-Skulptur wurde von dem bekannten Tierbildhauer August Gaul (1869–1921) entworfen und bearbeitet. Sein Schüler Max Esser stellte den Löwen nach Gauls Tod fertig. Aus privater Hand konzipiert und finanziert, konnte das Denkmal 1924 in der Wandelhalle des Augusteums feierlich enthüllt werden. Während der Sockel bei der Sprengung des Augusteums 1968 zerstört wurde, konnte die Löwenskulptur geborgen werden. Danach stand sie für mehrere Jahre auf dem Sachsenplatz, wo Wind und Wetter ihren heutigen schlechten Erhaltungszustand verschuldeten.


Universität und Erster Weltkrieg
Ernst Jünger, Schriftsteller, immatrikulierte sich am 26.10.1923 als Student der Naturwissenschaften an der Universität Leipzig. Er hatte den Ersten Weltkrieg nur knapp überlebt. Seine Kriegstagebücher schildern das Grauen.