Ein seltsames Nutzstück
Zeitzeugen-Interview mit Prof. Dr. Renate Drucker, Ehrenbürgerin der Universität Leipzig
Sie kennen die Universität Leipzig über einen sehr langen Zeitraum, haben vor und nach dem 2. Weltkrieg hier studiert und später im Universitätsarchiv und als Hochschullehrerin gearbeitet. Wie erinnern Sie in dieser Zeit die Universitätskirche St. Pauli?
Frau Professor Dr. Renate Drucker wurde am 11. Juli 1917 als jüngste Tochter der Leipziger Juristenfamilie von Martin Drucker geboren. Nach dem Besuch der Leipziger Mädchenschule und dem Abitur auf Schloss Salem /Baden immatrikulierte sie sich 1936 an der Universität Leipzig für das Studium der Geschichte, der Germanistik und Anglistik. Als Opfer der nationalsozialistischen Rassengesetze musste sie ihr Studium in Leipzig abbrechen. Das Studienverbot wurde erst 1941 wieder aufgehoben. Kurz vor Einmarsch der Amerikaner promovierte sie 1944 in Straßburg. Nach dem Kriegsende arbeitete sie bis 1950 in der Entnazifizierungskommission der Leipziger Juristen. Von 1950 bis zur Pensionierung 1977 leitete sie das Archiv der Universität Leipzig. In den Maitagen 1968 befand sich ihr Arbeitsplatz plötzlich im Fokus der Zeitgeschichte – bis zur Sprengung war das Universitätsarchiv in einem eigenständigen Gebäude zwischen der Universitätskirche St. Pauli und dem Augusteum untergebracht. Es fiel wie die Kirche dem Wahn der Sprengung am 30. Mai 1968 zum Opfer.