Student, Professor und Rektor an der Universität Leipzig – Volker Bigl
Wissenschaftler wie der Psychologe Wilhelm Wundt (Rektor 1889), der Jurist Bernhard Windscheid (Rektor 1884), der Mediziner Paul Flechsig (Rektor 1894), der Historiker Karl Lamprecht (Rektor 1910) und später der Philosoph Theodor Litt (Rektor 1931), waren den Rufen auf Leipziger Lehrstühle gefolgt und begründeten die wissenschaftliche Reputation der Universität in jener Epoche. Allen genannten Professoren ist gemeinsam, dass sie die Rektoratsgeschäfte für ein akademisches Jahr übernahmen. Rektorgeschäfte von damals lassen sich mit den heutigen nicht mehr vergleichen: Länger als ein akademisches Jahr währte die Rektoratszeit von Volker Bigl. Er übte das Rektoratsamt an der Universität Leipzig von 1997 – 2003 aus, selbst renommierter Mediziner auf dem Gebiet der Hirnforschung. Bigl, Direktor des Institutes für Hirnforschung, schreibt in seiner Würdigung zum 75. Todestag am 23.07.2004 Paul Flechsigs: “Flechsig war dabei fest davon überzeugt, dass alle seelischen Vorgänge direkt Erzeugnisse des Gehirns seien und durch die exakte neuroanatomische Analyse untersuch- und aufklärbar seien. In seiner Rektoratsrede von 1894 Gehirn und Seele, die ihn auch außerhalb seines Fachgebietes bekannt und berühmt machte, fasst er diese Gedanken zum ersten Mal zusammen.”
Volker Bigl wurde am 13.02.1942 in Bernsdorf geboren, gestorben ist er nach schwerer Krankheit am 24.03.2005 in Polenz bei Leipzig. Ab 1960-1962 absolviert er ein Studium der Medizin in Bukarest, dann ab 1962-1965 folgt das Medizinstudium der Humanmedizin in Leipzig, 1965 Promotion zum Dr. med., mit dem Titel der Arbeit: Die Verteilung ATP-spaltender Fermente in Fraktionen subzellulärer Partikel von Hirngewebe. 1979 erfolgte die Habilitation zum Dr. sc. med. habil. für Neurochemie an der Universität Leipzig, Titel der Arbeit war: Chemische Synaptologie der Ratte unter Einfluss von Lichtreizung auf die Entwicklung synaptischer Mechanismen. Von 1983-1992 war Bigl Dozent für Neurochemie, dann 1992-2005 Professor für Neurochemie an der Medizinischen Fakultät der Uni. Er war Inhaber verschiedener Ämter: 1995-1996 Prodekan der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, 1995-1997 Dekan der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig, 1997-2003 Rektor der Universität Leipzig. Seit 1983 war Volker Bigl als Hochschuldozent tätig, ab 1966-1977 dann Assistent am Bereich Neurochemie der Universität Leipzig, von 1977-1983 als Oberarzt am Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung der Universität Leipzig. Seit 1985 ist Volker Bigl Träger des Virchow-Preises, Ehrendoktor der Ohio University, Athens, Ehrenprofessor der Universität San Marcos in Lima, Peru, und postum an seine Ehefrau verliehener Ehrendoktor der Universität Leipzig, 2005 Bundesverdienstkreuz 1. Klasse. Seit 1993 ist Volker Bigl Direktor des Paul-Flechsig-Institut für Hirnforschung, 2003 dann tritt Bigl als Rektor zurück wegen Differenzen mit der sächsischen Landesregierung, die Zusagen im Streit um die Paulinerkirche brach.
1993 zog das gesamte Institut unter dem Direktorat von Volker Bigl (1942-2005) unter ein gemeinsames Dach im ehemaligen Gebäude der DHfK in der Jahnallee 59. [wc_divider style=“dotted“ line=“single“ margin_top=““ margin_bottom=““]
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Wir möchten an dieser Stelle den Nachruf von Franz Häuser auf Volker Bigl, in: Ärzteblatt Sachsen 5/2005 veröffentlichen.
Nachruf
für Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Bigl * 13. 2. 1942 ✝ 24. 3. 2005
trauert um Volker Bigl, ihren Rektor der Jahre 1997 bis 2003.
Am 24. März 2005 war Prof. Dr. Dr. h. c. Volker Bigl nach schwerer Krankheit im Alter von 63 Jahren verstorben. Mit seinem aufopferungsvollen Wirken hat er wesentlich dazu beigetragen, dass die Universität Leipzig den Weg in die Gruppe der angesehenen deutschen Universitäten erfolgreich fortgesetzt hat. Mit Professor Bigl hat die Universität nicht nur einen herausragenden Wissenschaftler, sondern auch einen vorbildlichen und mutigen Streiter für die akademische Selbstverwaltung verloren. Uns allen stehen die fast sechs Jahres seines Rektorats noch lebhaft vor Augen, und viele von uns verbindet aus dieser Zeit die Erinnerung an ganz besondere Begegnungen, die uns sein verbindliches und zurückhaltendes, aber auch zielstrebiges und pflichtbewusstes Wesen näher bringt. So hat er auf ganz eigene Weise dem Amt des Rektors Würde und Glanz verliehen.
Über 40 Jahre war sein Lebensweg mit der Universität Leipzig eng verbunden. Aus dem Medizin-Studenten Volker Bigl wurde ein international renommierter Hirnforscher, Ehrendoktor der Ohio University in Athens, USA, Ehrenprofessor der Universität San Marcos in Lima, Peru. Er war Mitglied in zahlreichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften seines Fachgebietes und als Gutachter der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sowie mehrerer Fachzeitschriften tätig. 1992 zum Professor für Neurochemie berufen, war er seit 1993 Direktor des Paul-Flechsig-Instituts für Hirnforschung. Sein Hauptforschungsgebiet war mit neurobiologischen Aspekten des menschlichen Alterns und des geistigen Leistungsversagens zu umreißen. In den Jahren nach dem politischen Umbruch und als Dekan der Medizinischen Fakultät von 1995 bis 1997 beteiligte er sich aktiv an deren Neuaufbau, insbesondere bei der Etablierung und Leitung von neuen Forschungsstrukturen. Von 1997 bis 2003 übte er das Amt des Rektors aus – als Primus inter paris, der die Anerkennung, Achtung, ja Zuneigung der Kollegen, Mitarbeiter, Doktoranden und nicht zuletzt der Studierenden, die ihn tief verehrten, besaß. In dieser Rektoratszeit ist der Name Volker Bigls mit der Neubelebung der alten Idee der Universitas litterarum verbunden, die den Erhalt der großen Fächervielfalt ebenso einschloss wie die Förderung neuer innovativer Entwicklungen in den angewandten Naturwissenschaften, nicht zuletzt von Biomedizin und Biotechnologie. In seiner Amtszeit fand die Universität nach ausgiebiger Diskussion zu ihrem Leitbild, das
auch das Biglsche Selbstverständnis von der Alma mater Lipsiensis auf den Punkt brachte: „Aus Tradition Grenzen überschreiten“. Sein Engagement galt auch dem Ausbau der Internationalisierung der Universität und insgesamt ihrer weiteren Öffnung nach außen. Sein Credo war, in der Welt von heute, wie er sagte, „die Universität als verwirklichte Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden über ihren Ausbildungsauftrag hinaus wieder zur Stätte der geistigen Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit“ zu machen. In engem Zusammenhang damit stand auch sein erfolgreiches Bemühen um eine echte Partnerschaft von Universität und Stadt Leipzig. Das sachdienliche, ja freundschaftliche Zusammenwirken von Oberbürgermeister und Rektor ist beiden Seiten zugute gekommen. Von Dezember 2000 bis März 2003 übte Professor Bigl den Vorsitz in der sächsischen Landeshochschulkonferenz aus, in der er durch seine Souveränität, seinen akademischen Anspruch, die Verlässlichkeit seines Wortes und die natürliche Würde, mit der er die Interessen aller Hochschulen selbstbewusst vertrat, die Wertschätzung seiner Amtskollegen gewann. Am 30. Januar 2003 war er vom Amt des Rektors
der Universität Leipzig zurückgetreten, weil die Sächsische Staatsregierung die gemeinsam vereinbarten Grundsätze über die Errichtung des Neubaus des innerstädtischen Campus einseitig aufgegeben hatte. Dieser Schritt hat in der Öffentlichkeit nicht nur große Aufmerksamkeit, sondern einen starken Zuspruch erfahren, weil er zu Recht als ein Zeichen für die politische Kultur in unserem Lande und die Bewahrung von Glaubwürdigkeit und Integrität gewertet wurde. „Sie haben deutlich gemacht“, sagte ich damals zur Verabschiedung von Professor Bigl, „dass Sie die Werte, die Ihnen wichtig sind, nicht als eine hohle Phrase verstehen, sondern als handlungsorientierende Maxime.“ Bei aller Verbindlichkeit und Freundlichkeit – Volker Bigl konnte ein hartnäckiger, durchaus unbequemer Mann sein, wenn er falsche Weichenstellungen auf der Landesebene, Stichwort Stellenreduzierungen, oder Zögerlichkeiten in der Universität selbst bei notwendigen Schwerpunktbildungen und Umstrukturierungen nicht
hinnehmen wollte. So hat er sich immer wieder auseinandergesetzt mit der Diskrepanz zwischen den von der Politik geäußerten theoretischen Einsichten – Bildung und Ausbildung sind das Kapital der kommenden Wissensgesellschaft – und ihrem praktischen Handeln; sprich der Kürzung von Mitteln und Personal für die Hochschulen. Aber er beließ es nicht bei der Kritik, sondern richtete zugleich an die Adresse der eigenen Universität die Botschaft, dass sie ihre Wettbewerbsfähigkeit nur erhalten könne, wenn sie den schweren Schritt geht, neben Prioritäten auch Posterioritäten zu setzen. „Wir sollten uns alle im Klaren sein, dass eine Profilbildung sich notwendigerweise auch in einer Um- oder Neuverteilung der verfügbaren Ressourcen innerhalb und zwischen den Fakultäten und Einrichtungen widerspiegeln muss“, betonte er auf dem Konzil 2001. Wer Prof. Bigl „im Dienst“ erlebt hat, wird vor allem seine Analysefähigkeit, sein Vorwärtsdrängen, sein Variieren zwischen Geduld und Ungeduld in der Diskussion zu schätzen gewusst haben. Nicht wenige Kolleginnen und Kollegen haben aber auch den liebenswerten, unprätentiösen Menschen Volker Bigl kennen gelernt, der in der Leipziger Professorenmannschaft Fußball spielte oder mit den Mitarbeitern des Rektorats wanderte, Rad fuhr oder kegeln ging. Zu Jahresbeginn 2004 wurde Volker Bigl in das Amt des Präsidenten der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig gewählt, das er aber noch im gleichen Jahr wegen seiner Erkrankung aufgeben musste.
Prof. Dr. jur. Franz Häuser
Rektor der Universität Leipzig
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https://www.archiv.uni-leipzig.de/blog/2014/07/21/5317/