Oben: Auszug aus Akte Karl Hermann Reinmuth, Jur. Fak. Prom. 00661 im Universitätsarchiv Leipzig. 1934 wurde Dr. Hermann Reinhardt, der in Leipzig Widerstand leistete, verhaftet. Er kommt 1942 im KZ Sachsenhausen um. Die Universität hat den Doktortitel aberkannt.
1933 begannen für die Universität die dunkelsten Zeiten ihrer Geschichte. Politisch unerwünschte und jüdische Gelehrte und Mitarbeiter wurden aus ihr vertrieben. Bis 1938 traf dieses Schicksal 71 Personen aus allen Beschäftigtengruppen der Universität- Die Folgen: wirtschaftliche Not, Leid, Verfolgung. Frühzeitig setzte sich nationalsozialistischer Ungeist an der Universität fest. Fanatisierte Studenten waren die treibende Kraft, sie fühlten sich als revolutionäre Vorhut. Unerwünschte Professoren wurden schon vor der Machtergreifung Hitlers durch Hörsaalterror unter Druck gesetzt,
Alma Mater Lipiensis. Konrad Krause. 2003
Depromotionsverfahren an der Universität Leipzig
Von der Universität Leipzig wurden in den Jahren seit 1937 bis 1944 aus politischen oder ideologischen Gründen akademische Grade nachträglich entzogen. Als Grundlage dafür diente das “Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14.07.1933″, mit dem man den Emigranten die Aberkennung ihrer deutschen Staatsbürgerschaft androhte. Dies hatte auch Auswirkungen auf das Handeln der Universität. In diesem Zusammenhang sei auf die Erläuterung zum Verfahren der Aberkennungen akademischer Grade im Nationalsozialismus verwiesen. Bereits im Juni 1990 entschuldigte sich der Leipziger Rektor im Namen des akademischen Senats für in den letzten Jahrzehnten geschehenes Unrecht. Im Juli 2001 rehabilitierte die Universität Leipzig offiziell die von den Depromotionen in der NS-Zeit Betroffenen und erklärte:
„Das auch von den Organen der Universität Leipzig während des Naziregimes begangene Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden. Dem akademischen Senat ist es ein Anliegen ausdrücklich festzustellen, dass die Willkürakte, insbesondere die Aberkennung von Doktorgraden und anderen akademischen Graden, die ausschließlich der Verfolgung aus politischen, rassenideologischen und Glaubensgründen dienten, mit grundlegenden Prinzipien eines Rechtsstaates nicht vereinbar und deshalb von Anfang an nichtig waren. Die Feststellung des Senats fußt auf der Überzeugung, dass in den erwähnten Fällen in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit und gegen die Menschenwürde verstoßen wurde und in keinem dieser Fälle rechtsstaatliche Voraussetzungen für die ergriffene Maßnahme vorlagen. Der akademische Senat fordert die Fakultäten auf, den Doktorgrad in einer Urkunde zu erneuern, wenn Betroffene oder deren Angehörige das wünschen.“
175 Depromotionsverfahren haben sich bis heute nachweisen lassen, in unserer Datenbank finden Sie eine Auflistung der Verfahren.
Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit
Mit dem „Gesetz über den Widerruf von Einbürgerungen und die Aberkennung der deutschen Staatsangehörigkeit vom 14.07.1933“ wurde allen Emigranten die Aberkennung ihrer deutschen Staatsbürgerschaft angedroht. Tatsächlich wurden in den nächsten Jahren mehrere tausend Ausbürgerungsverfahren durchgeführt. Als Nebenstrafe der Ausbürgerung wurde im Gesetz der Verlust aller bürgerlichen Ehrenrechte festgelegt. Die Namen der Ausgebürgerten wurden dann im „Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen Staatsanzeiger“ listenförmig veröffentlicht. Auf Grund der im Reichsanzeiger publizierten Namenslisten hatten die Universitäten ihre früheren Promovenden zu ermitteln und zwangsläufig zu depromovieren, wobei dann wieder eine Mitteilung über den Verfahrensvollzug zu publizieren war.
Vom Reichsministerium des Innern wurden im April 1937 sogar Festlegungen über die in den Anzeigen zu verwendenden Formulierungen getroffen. Aus den publizierten Listen lassen sich 1665 Angaben zu Depromotionsverfahren entnehmen. Für ein knappes Viertel der Depromovierten (382 Namen) weisen die vermerkten Zwangs-Vornahmen „Sara“ und „Israel“ auf einen eindeutigen jüdischen Hintergrund hin. Da auf Grund des fast automatisierten Verfahrensablaufs für die Universitäten kaum Spielräume existierten, bieten die Listen keine Anhaltspunkte über eine besondere nationalsozialistische Ausrichtung der Universitäten oder einzelner Fakultäten. Sicher sind die hier aufgeführten Namen und Daten nicht vollständig.
Widerstand
Unter den Studierenden gab es offene Kritik am NS-System, indem sie sich verordneten „Diensten“ entzogen oder sich im Widerstand gegen das Regime organisierten, dafür stehen Namen wie Gerhard Mehnert, Hermann Reinmuth, Maria Grollmuß, Margarete Blank, Georg und Rosemarie Sacke.
Maria Grollmuß (1896-1944)
geboren am 24.04.1896 in Leipzig, promoviert am 28.12.1932, Entzug des Doktortitels am 14.12.1936, Mitteilungen über die Aberkennungsgründe nach den Promotionsbüchern: Doktorgrad entzogen am 14.12.1936. [UAL, Phil.Fak.Prom. 337, Bl. 25: wegen Vorbereitung zum Hochverrat], Philosophische Fakultät
Margarete Blank (1901 – 1944)
Margarete Blank wurde am 15. Dezember 1944 wegen „schwer zersetzender Äußerungen“ gegenüber einer Soldatenfrau zum Tode und dauernden Ehrverlust verurteilt.
Margarethe Bothe (1914-1945)
Margarethe Bothe wurde 27.Juli 1914 als Tochter des Landrates Bothe in Merseburg geboren. Nach Mittlerer Reife und Abitur 1936 musste sie ein halbes Jahr Arbeitsdienst ableisten. In Braunschweig erhielt sie eine Ausbildung zur Volksschullehrerin. 1938 nahm Margarethe ein Studium der Germanistik, Geschichte und Geographie in Heidelberg auf, das sie 1939 Leipzig fortsetzte. Im Februar 1944 legte sie das Staatsexamen ab und promovierte im Fach Geschichte zum Thema „Das Verhältnis von Moral und Politik bei Kant, Herder, Fichte und Hegel“. Die Dissertation wurde gedruckt, jedoch im Juli 1944 beschlagnahmt. Als Studentin verkehrte sie mit Marianne Goerdeler und war mit Käte Lekebusch befreundet. Im November 1944 wurde sie auf Grund des Vorwurfes „Rundfunkverbrechen“ von der Gestapo verhaftet. Am 12. April 1945 wurden 52 Häftlinge nach Leipzig – Lindenthal gefahren, darunter auch Margarethe Bothe.
Dort wurden sie vor einem Bombentrichter einzeln per Genickschuss von Gestapobeamten erschossen und verscharrt.
Georg und Rosemarie Sacke
Georg Sacke wurde am 2. Januar 1902 im russischen Kishinev geboren. Er studierte an den Universitäten Leipzig und Prag Geschichte. Von 1927 bis 1933 war er wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Kultur- und Universalgeschichte der Universität Leipzig, an der er 1932 habilitierte. Georg Sacke starb am 26. April 1945 auf dem „Todesmarsch“ nach Lübeck. Rosemarie Sacke wurde erste Direktorin der Arbeiter- und Bauernfakultät der Universität Leipzig, sie starb 1997.
Gerhard Mehnert (1914 -1983)
Medienwissenschaftler, Chefredakteur und Japanologe.
„Auf Grund seiner Begabung, seines Fleißes und seiner Beharrlichkeit vermochte er das bürgerliche Bildungsprivileg zu durchbrechen und von 1925 bis 1934 als einziges Arbeiterkind seines Jahrgangs das Thomasgymnasium in Leipzig zu besuchen. 1934 nahm er das Studium des Japanischen, Russischen und der Publizistik an der Leipziger Universität auf. Im Elternhaus im Geiste des Sozialismus erzogen, im Kommunistischen Jugendverband, dem er von 1931 bis 1934 angehörte, und später – bereits unter den Bedingungen der Illegalität – in der Kommunistischen Partei Deutschlands an theoretischen Erkenntnissen und praktischen Erfahrungen reicher geworden, beteiligte sich Gerhard Mehnert aktiv am Widerstand gegen die Faschisierung der Alma mater Lipsiensis. 1935 wurde er zum ersten Mal, 1936 ein zweites Mal verhaftet, unter Anklage der Vorbereitung zum Hochverrat gestellt und bis Ende 1938 eingekerkert.“
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