Vom Verbindungsleben im Akademisch-Mathematischen Verein an der Universität Leipzig
Bei den Leipziger Mathematikern ging es hoch her in den 1920er Jahren: Adventskneipe, Winterball im Zoo, Weihnachtsfeier mit Scherzgedichten, Frühschoppen und Wanderfahrt. Der Student der Chemie Hans Grunewald trat mit Studienbeginn 1924 dem Akademisch-Mathematischen Verein bei, wo Geselligkeit, Traditionen und lebenslange Freundschaften gepflegt wurden.
Weit zurück bis ins 19. Jahrhundert reicht die Geschichte des Akademisch-Mathematischen Vereins. Stiftungsdatum ist der 11. Mai 1869, an diesem Tag begründeten Leipziger Studenten der Mathematik und Naturwissenschaften ihre Fachverbindung. Wie andere zeitgenössische Studentenverbindungen trugen sie farbige Bänder und Kappen, die Mathematiker hatten orange-blau-silber gewählt. Sie pflegten die Geselligkeit und die auf Lebenszeit angelegte freundschaftliche Verbindung.
Der Burgkeller im Handelshof am Naschmarkt war das Stammlokal Mathematiker. Hier trank man Bier in geselliger Runde, am besten aus einem Bierkrug mit Vereinswappen und Zirkel auf dem Zinndeckel. Verbindungsmitglieder machten sich solche Krüge als Andenken zum Geschenk, denselben Zweck verfolgten auch die Bierzipfel und Weinzipfel: Bänder, natürlich in denselben Farben, die man an einer Kette an der Kleidung trug und an die kleine Plaketten aus Metall geklemmt wurden, wiederum mit Platz für eine Widmung und ein Erinnerungsdatum. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sich aus dem Wissenschaftlichen Verein eine Studentenverbindung, nun nannte man sich Verein M. V. Masuria – wichtig war dabei, dass Zirkel und Farben fortgeführt werden konnten und man sich weiterhin auf den Stiftungstag vom Mai 1869 berufen konnte.
Die Mathematiker trugen die Farben orange-hellblau-silber – in diesen Farben leuchten die Kappen, sogenannte Tönnchen, die zusammen mit anderen Andenken vor kurzem aus Familienbesitz an das Universitätsarchiv übergeben wurden. Die Studenten waren stolz auf ihren Verein. Seine Farben und Insignien, das Wappen und der Zirkel, zierten Bierkrug und Bänder und sogar einen Fächer für die Balldame.
Außergewöhnlich sind die Gästebücher, denn aus ihnen lässt sich ablesen, was aus dem einstigen Chemiestudenten wurde: er heiratete, ging in den 1930er Jahren nach Amerika zu einem Forschungsaufenthalt. Auch dort kamen die Fachkollegen zusammen, unter ihnen der berühmte Mathematiker Eberhard Hopf. Hopf nahm bald danach einen Ruf auf eine Leipziger Professur an.
Ob das für Hans Grunewald ein Anlass war, ebenfalls wieder in die Heimat zurückzukehren, wissen wir nicht. Für ihn war die Familie wichtig, er lebte in den folgenden Jahren in Markkleeberg und arbeitete als Laborleiter im Otto-Grotewohl-Werk in Böhlen. Studentenverbindungen waren jetzt nicht mehr erlaubt, doch die Freunde vom Mathematischen Verein trafen sich weiter, bis in die 1950er Jahre hinein, nun privat im Markleeberger Garten.
Alle Abbildungen: Nachlass Grunewald, Universitätsarchiv Leipzig.