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Die Nacht vom 9. zum 10. November 1938 in Leipzig

Thora Rolle aus einer Leipziger Synagoge, gerettet aus der Progromnacht. Sie wurde auf dem Dachboden der Universitätsbibliothek versteckt. Ein Geschenk des Verbandes ehemaliger Leipziger in Yad Vashem.



Aeußere Ansicht der neuen Synagoge in Leipzig.“ Gartenlaube, 1854.


 

In der Gartenlaube aus dem Jahre 1854 steht zum geplanten Bau der Synagoge folgendes: „Nirgends mußte so sehr wie gerade in Leipzig, wo zur Zeit der Messen Tausende von Juden aus allen Weltgegenden zusammenströmen, der Mangel einer Synagoge den Bekennern des Judenthums die drückende Mahnung an ihre bürgerliche Nichtgleichstellung fort und fort zum Bewußtsein bringen. In die Zeit der Leipziger Messen fallen die bedeutendsten jüdischen Festtage, welche in mehr als 20 einzelnen, in allen Straßen der Stadt vertheilten Zimmern begangen werden mußten. Die rastlosen Bemühungen, welche Dr. Ad. Jellinek, der hochbegabte Prediger der Gemeinde, aufbot, um die Erbauung einer Synagoge durchzusetzen, haben daher auch für die sächsische Gesetzgebung die dankenswerthe Folge, daß dieselbe laut und vor aller Welt bekennen wird, daß in Sachsen keine judenfeindliche Gesetzgebung besteht, woran derselben Unkundige zweifeln mußten. Freilich ist die Gleichstellung des jüdischen Cultus noch nicht gleichbedeutend mit bürgerlicher Gleichstellung, an welcher noch Manches zu wünschen übrig bleibt; obgleich bei der Wiederaufhebung der 1849 publizirten Grundrechte im Jahre 1854 gerade der die Juden betreffende Paragraph fast allein in Kraft geblieben ist.“

Über das Innere der Synagoge: „Das Gebäude wird 1600 Sitzplätze enthalten, demnach gegen 2000 Personen fassen, von welcher Zahl sich die kleinere Hälfte auf die Emporen vertheilen würde, von wo aus auf allen Plätzen, vermöge ihrer tribünenförmigen Anlage, das Ceremoniell wie der Prediger wahrgenommen werden können.

Und so möge denn der schöne Bau rüstig vorwärts schreiten und, ohne Störung und Unfälle beendet, ein neues Band um confessionell geschiedene Mitbürger sein; wie er immer ein ehrendes Denkmal sein wird für den Beistand, den bei seiner Gründung und Aufrichtung die Behörden und Bewohner Leipzigs ihren israelitischen Mitbürgern mit brüderlicher Bereitwilligkeit reichten.“


Das Novemberpogrom hinterließ brennende Synagogen, verwüstete jüdische Einrichtungen sowie zerstörte jüdische Geschäfte. Überlieferte Zeitzeugenberichte und Archivalien geben Auskunft über dieses schreckliche Ereignis. Die Reichspogromnacht bedeutete jedoch nicht nur zerstörte materielle Werte, sondern auch zerstörte Lebensleistungen und zerbrochene individuelle, gemeinschaftliche und familiäre Identitäten. Vielfach fanden Verhaftungen von Juden statt, wobei die Zugehörigkeit zur jüdischen Minderheit der Polizei als einziger Haftgrund galt. Insgesamt wurden in der Nacht vom 9. zum 10. November 1938 in Leipzig 550 jüdische Personen verhaftet.

Gedenken in Leipzig: Leere Stühle erinnern an die Zerstörung der Leipziger Synagoge am 9. November 1938.


Felix Mendelssohn Bartholdy’s Denkmal | Enthüllt 1892, abgerissen in einer „faschistischen Freveltat“ (Erich Zeigner) 1936

„Komponist, Kosmopolit und Mittler zwischen den Religionen“ war Felix Mendelssohn Bartholdy, der als 27-Jähriger von der Universität Leipzig den philosophischen Ehrendoktor erhielt. Er war Begründer des Konservatoriums, Pionier der Musiker-Ausbildung, Neuentdecker Bachs, Ehrenbürger des Jahres 1843, Stifter des ältesten Bachdenkmals südwestlich der Thomaskirche.

1892 war der drei Meter hohe Felix Mendelssohn Bartholdy vor dem Neuen Gewandhaus eingeweiht worden. 1923 wurde eine der Bronzeplatten, die am Sockel weltliche und kirchliche Musik symbolisieren, gestohlen, kurz darauf konnten die Diebe gefasst werden. In der Nacht vom 09. zum 10.11.1936 wurde das Mendelssohndenkmal, offenbar auf Betreiben nationalsozialistischer Angehöriger der Stadtverwaltung, unter Ausnutzung einer Dienstreise des Oberbürgermeisters Carl Goerdeler (1884-1945) entfernt. Die Auseinandersetzungen um die Wiederaufstellung des Denkmals führten schließlich zum Rücktritt Goerdelers. Nach dem „20. Juli“ wird Goerdeler als Verschwörer hingerichtet. Das Denkmal konnte nicht wieder aufgefunden werden, es wurde wohl während des 2. Weltkriegs eingeschmolzen.